Als Trainerin bei Personalentwicklungsprojekten sprang mich die Broschüre von John Erpenbeck über die Kompetenzentwicklung mittels Werte an. Ich finde die Zusammenstellung genial, denn er bestätigte viel von dem, was Paul und ich seit Jahren in unseren Trainings weitergeben. Zusammengefasst gleich das für mich Wesentlichste:
„Wissen allein ist keine Kompetenz. Jedes Wissen muss emotional durchdrungen werden, damit es zur Kompetenz werden kann.“
Gerade durch die Arbeit mit Lehrlingsausbildern sind wir immer an dem Punkt im Gespräch, wo es um die Zukunftsfähigkeit der Ausbildung geht und wie die Organisation sowie die zuständigen AusbilderInnen ihren Beitrag dazu leisten können.
Werte als Orientierung im agilen Raum
Mit dem Wertethema treffen wir einen wunden Punkt. Denn dieses Thema ist meist für die Geschäftsführungs-Etagen vorbehalten und wird selten wirklich bis zu den MitarbeiterInnen ausgerollt.
Können Sie sich noch an die Hochzeit der Leitbild-Entwicklung erinnern, als Managerkreise tagelang mit teuren Beratern (ich bleib jetzt mal bewusst bei der männlichen Form) irgendwo abgeschieden in Klausur gingen um anschließend mit einem ausformulierten Leitbild heimzukehren? Diese wurden dann in manchen Unternehmen per Kick-Offs und Mitarbeiterzeitung kommuniziert – aber in machen einfach auch nur stumm in die Gänge der Management-Etage gehängt.
Wenn wir aber hin- und hergerissen werden zwischen Trends, Kundenwünschen, Marktgegebenheiten und anderen Aspekten, die unsere rasche (Um)entscheidung benötigen, dann werden wir vielleicht schnell orientierungslos und verlieren den Fokus. Dann geben die Werte wieder Orientierung im ach so agilen Raum.
Es braucht eine Leitbild-Verwurzelung.
Das oben angedeutete Leitbild ist oft durchaus „Wert-voll“, doch selten entspricht es der gelebten Kultur. Wenn wir heute zukunftsfähig agieren wollen – und das bis in die operativen Ebenen hinein, denn dort sitzt oft sehr viel Unternehmens-Wissen und Unternehmens-Intelligenz, dann braucht es eine Leitbild-Verwurzelung.
Die Arbeit am Leitbild mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann sehr bereichernd sein, weil unweigerlich an den Werten gearbeitet wird. Das stellt eine ganz neue Form der persönlichkeitsbildenden Weiterbildung dar. Neben individueller Aspekte erarbeiten sich die Teilnehmenden über verschiedene Ebenen hinweg Werte, die der Organisation dann in unerwarteten, komplexen Situationen helfen, Entscheidungen zu treffen.
Wäre diese neue Form der persönlichkeitsbildenden Weiterbildung nicht ein spannendes Experiment? Programme, die sich mit Werten, mit Autonomie, der Freiheit zu entscheiden, aber auch den Grenzen der Entscheidungsfreiheit beschäftigt und wie es mir als Individuum in einem Regelkonstrukt geht und ob ich mich dadurch in meinem Verhalten und in meinen Entscheidungen verändere. Es wird ja viel darüber gesprochen, dass den Organisationen viel an Kreativität und Potenzial durch die „Ver-Regelung“ verloren geht. Aber auch eine „Ent-Regelung“ braucht Arbeit an den Werten, damit ein gewisses Mindestmaß an Orientierung gegeben ist.
Susanna Weilke
Liebe Susanna,
erst einmal einen herzlichen Glückwunsch zu Deiner gelungenen Webseite.
Als Blogger und Autor haben mich natürlich vor allem die Inhalte interessiert. So stiess ich auf die Werte. Ja, Werte sind wichtige Leitplanken, sie geben Orientierung.
Ob sie Autonomie geben wage ich in Frage zu stellen. Denn entweder meine Werte decken sich mit den Vorgegebenen (auch entwickelten) oder halt nicht.
Was wenn nicht? Sind in diesem Moment nicht Konflikte vorprogrammiert? In einer Coaching-Sitzung, die ich kürzlich im Rahmen von http://www.bewusste-eltern.at geniessen durfte, knallten mir meine Werte sowas von um die Ohren.
Warum?
Aus Werten, werden Bewertungen. Aus Bewertungen entsteht ein klares Filtersystem, das bei Negativbewertung das Limbische Alarmsystem unseres Gehirns aktiviert und schwubs können wir uns in einem „Wertekonflikt“ befinden.
Die Gesellschaften in denen wir Menschen leben sind von unendlich vielen hauptsächlich unbewussten Werten (Bewertungen) definiert. Andere Gesellschaften andere Bewertungen. Je weiter wir diese Werte vom Kleinen ins Grosse deklinieren, desto grösser die Konflikte, die unser Weltgeschehen definieren.
Ich weiss, im aktuellen Bewusstseinszustand sind wir darauf angewiesen, doch zu verstehen, dass Werte ebenso Konflikte produzieren halte ich für wichtig bzw. geht mir das insbesondere in der Werteberatung etlicher Personaler und Personalnaher DienstleisterInnen leider ab.
Ich freue mich auf Deine Blogbeiträge. Habe Sie abonniert und werde Sie automatisch auf Twitter posten.
Liebe Grüsse
Dein MichaelRajiv.Shah.at
Lieber Misha,
danke und danke! 😉
Das Bloggen ist je eher Neuland für mich – aber bemühe mich, meine Gedanken mit meiner Umwelt und meinem Netzwerk zunehmend auch schriftlich zu teilen.
Deine Gedanken zu den Werten und daraus resultierenden Bewertungen kann ich gut nachvollziehen.
Das eingebaute Radar, das den einen mehr und die andere weniger selektiv die Welt wahrnehmen lässt, ist natürlich ein Schutz für uns.
Und das Bewerten hilft, die auf uns einströmenden Informationen schneller priorisieren (ist auch eine Form der Bewertung) zu können – ist ja auch neurobiologisch gesehen schon ein alter Hut.
Werte geben uns Sicherheit und Halt in Situationen, die wir noch nicht hatten – wo es weiße Flecken auf unserer Lebens-Landkarte gibt.
Das ist, was ich mit Autonomie meine – selbstbestimmt Entscheidungen aufgrund bewusster (!) Werte für sich treffen zu können statt eine äußere Autorität dafür zu benötigen – auch wenn das ja zB gegen das Beratungsgeschäft spricht. Aber ich experimentiere ja auch erst damit.
Konflikte sind für mich ganz normale Situationen, weil wir ja Individuen mit unterschiedlicher Motivation und Interessen sind. Die Frage ist nur, wie konstruktiv können wir diese Konflikte austragen und lösen.
Ich finde dein Beispiel herrlich, wo du erzählst, dass dir deine Werte um die Ohren geknallt sind 😉
Ich erlebe ähnliches, wenn mich meine Kinder spiegeln oder wenn ich schmerzhaft merke, dass ich meine Wertehaltung mal wieder zum Service schicken sollte.
Aber wie heißt es nicht in den Grundsätzen der Transaktionsanalyse: Alle Menschen können ihre Entscheidungen treffen und auch wieder verändern.
Ich freu mich auf weiteren Austausch und schicke dir sonnige Grüße aus Niederösterreich!
Susa